Fragen stellen

In insgesamt vier Treffen stellen junge Männer Fragen – an die Ausstellungen, die Kunstwerke, das Museum, die Berufswelt und das Leben an sich.  Im Kurs gehen sie auf die Suche nach Antworten, wobei nicht gesagt ist, ob sie diese exakt finden werden oder ob nicht vielleicht noch weitere Fragen entstehen…

Die Männer sind zwischen 18 und 27 Jahre alt, kommen aus Syrien, Eritrea, Pakistan  und dem Irak und besuchen derzeit einen Jugendintegrationskurs am Leipziger language coach institute, wo sie die deutsche Sprache und Kultur vermittelt bekommen.

Der erste Besuch – März

Den Auftakt des Projekts am 9. bzw. 10. März bildeten die Fragen, die bereits beim ersten Besuch der Männer in der GfZK im Oktober 2016 entstanden waren:

Wie geht’s, habibi? – Wozu taugt Psychologie? – Warum gibt es böse Menschen? – Warum verändert sich alles? – Warum lachst du immer? – Was arbeitest du im Museum? – Seit wann wartest du hier? – Wie kann ich aktiv mit meinem Schicksal umgehen? – Bist du freundlich oder nicht? – Glaubst du, du bist eine gute Person? – Kennst du mich? – Was willst du? – Wohin gehst du? – Bist du ganz ehrlich? – Magst du Syrien? – Magst du Deutschland?

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Die Teilnehmenden setzten eine der Fragen jeweils mit einem Kunstwerk in der Sammlungsausstellung in Beziehung. In Zweiergruppen befragten sie sich gegenseitig  und tauschten sich dazu aus. Die daraus gewonnenen Perspektiven und Meinungen provozierten neue Fragen.

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Neue Fragen sind u. a.:

Zu Erasmus Schröter, Zwei Männer warten
– Wie unterscheidet man sich vom Anderen?
– Hat man das als Kind gelernt oder macht man das einfach so?

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Zu Harald Metzkes, Tischgesellschaft
– Warum sind sie betrunken?
– Wer hat das Bild gemalt?
– Warum sind sie traurig?
– Wo sind die guten Menschen?

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Zu Martyn Greenhalg, The Present Order
– Interessieren Sie sich für etwas, das in Stein gemeißelt ist?
– Haben Sie Angst um Ihr Leben?

Zu Sigmar Polke, Handkuss
– Was ist mit mir passiert, als ich nach Deutschland gekommen bin?
– Wer hat mir geholfen?

Zu Stephan Balkenhol, Ohne Titel (Frau), Ohne Titel (Mann)
– Bist du verheiratet?
– Warum sind sie zusammen?
– Sind sie Geschwister?
– Was macht das Frau?
– Warum komme ich ins Museum? Warum ist das Museum so wichtig?

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Zu Via Lewandowsky, Ahnen im Aus
– Was wünschst du dir, was in Syrien passieren soll?

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Zu Plamen Dejanov & Swetlana Heger, Quite Normal Luxury (Z8)
– Wieviel kostet das Auto?
– Kann ich bei BMW ein Praktikum machen?

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In einem intensiven Rundgang präsentierten die Teilnehmenden ihre verschiedenen Perspektiven auf das Werk.

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Ausblick: Die Teilnehmenden äußerten den Wunsch, mehr über das Museum zu  erfahren, verschiedene Techniken auszuprobieren und zu erforschen, welche Fragen sich an die eigene berufliche Weiterentwicklung stellen.

Der zweite Besuch – April

Am 5. und 6. April besuchten die beiden Gruppen das Museum erneut. Diesmal ging es um das Befragen des Hauses, der Bereiche und der Personen, die hier tätig sind.
Während des Rundgangs durch das Gelände erlebten die Teilnehmenden die Vielfalt des Museums, indem sie das Labyrinth, die Hotelzimmer, den Garten, den Neubau, das Café, die Werkstatt, die Bibliothek und die Büros kennenlernten.

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Im nächsten Schritt konnten den Menschen intensiv Fragen gestellt werden, die in der GfZK für die Bereiche Ausstellungsaufbau und Haustechnik, Bibliothek, Kuratieren, Vermitteln und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich sind.

Fragen – Antworten, z.B.:
– Hast du einen Vorschlag für das Leben in Deutschland für mich? – Reden, Fragen stellen.
– Sind Sie zufrieden mit Ihrer Arbeit? – Ja, sehr.
– Seit wann? – Seit 2001.
– Haben Sie Angst um Ihr Leben? – Nein.
– Kann man hier ein Praktikum machen? – Ja, natürlich.
– Was ist Dein Lieblingsessen? – Pasta, Nudeln, Salat, Bohnen.
– Welche Kunst magst Du? – Fotos – jede Kunst – Idee hinter Kunst.
– Warum ist das Museum so wichtig? Ich kann eine neue Sache lernen und Ideen haben. Man kann neue Kunst sehen.
– Welches Bild mögen Sie am meisten? – Sigmar Polke, Die drei Lügen der Malerei

Zudem begleitete eine kleine Gruppe jeweils den Prozess fotografisch und portraitierte die Personen an ihren Arbeitsplätzen.

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Jede Kleingruppe fertigte außerdem eine Skizze eines prägnanten Gegenstandes an, der am Arbeitsplatz der befragten Person gefunden wurde.

Der Schraubenwagen Die Pflanze Der Tisch Buch Computer Hammer und Nagel Robotermonster Robotermonster_2 Robotermonster_3 Spannzwinge

Aus den Interviews nahmen die Teilnehmenden jeweils wieder eine Frage mit heraus, die ihnen gestellt wurde, z.B.
Fühlst du Dich in Leipzig willkommen?
Was sind Deine Zukunftspläne?
Was möchtest Du lernen?

Ausblick: Für die nächste Session Ende Mai wünschen sich die Teilnehmenden noch mehr praktisch zu arbeiten und verschiedene Techniken auszuprobieren. Zudem interessieren sie sich weiterhin für das Beschreiben und Besprechen von Bildern.

Der dritte Besuch – Mai

Am 31. Mai und 1. Juni besuchten die beiden Gruppen das Museum zum dritten Mal. Am 31. Mai nahmen zudem zwei Gäste an dem Kurs teil, Wiebke Pranz (Beauftragte für Kulturelle Bildung im Kulturamt der Stadt Leipzig) und Christian Lehmann (Bildungskoordinator mit dem Schwerpunkt Kulturelle Bildung und Bibliotheksangebote für Neuzugewanderte der Stadt Leipzig). Beide wollten sich einen Überblick über unsere Arbeit verschaffen und das Projekt genauer kennen lernen.

Das Konzept für diese Kurse beinhaltete, wie gewünscht, viel praktische Anteile sowie die Auseinandersetzung mit Kunstwerken. Diese waren jedoch nicht sichtbar. Das Ziel des Kurses war aber, die Hörstücke aus dem Werk ZEIGEN von Karin Sander in Bilder zu übersetzen.

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Zunächst wurden einige Kreativitätsübungen gemacht. Diese helfen, Vorbehalte gegen die eigene Fähigkeit des Zeichnen- oder Nicht-Zeichnen-Könnens zu entschärfen, beide Hirnhälften zu aktivieren und wach und fröhlich zu werden.

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Dabei haben die Teilnehmenden Portraits mit Zeichenkohle voneinander angefertigt. Allerdings gab es immer verschiedene Bedingungen: mal wurde das Gegenüber auf einem Zeichenbrett porträtiert, während dieses das Zeichenbrett vor seinem Gesicht hin und her kreiste; ein anderes Mal wurde ein Selbstportrait angefertigt, indem das Blatt auf das eigene Gesicht gelegt wurde und die Konturen nachgezeichnet wurden; dann war die Aufgabe das Gegenüber zu Zeichnen ohne auf das Zeichenbrett zu schauen und danach wurde wieder eine andere Person kopfüber gezeichnet, besonders amüsant war die letzte Übung bei der die Teilnehmenden ganz nah in einem Kreis beieinander saßen, dann nahm jeder mit seiner rechten Hand die linke Hand seines Sitznachbarn und zeichnete ein Portrait seines gegenüber, während der andere Sitznachbar mit der eigenen linken Hand ein weiteres Portrait zeichnete.

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Ganz wach ging die Gruppe dann in die Austellung Karin Sander: ZEIGEN. Hier befanden sich die Teilnehmer in einem scheinbar leeren Raum. Mithilfe von Audioguides konnten sich alle die verschiedenen Vertonungen der Künstler*innen anhören. Dabei suchte sich jeder ein oder mehrere Stücke aus, die ihn interessierten und zu denen er weiter arbeiten wollte.

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Zurück im Workshopraum wurde anhand einiger Beispiele die Technik der Collage vorgestellt. Die Teilnehmenden konnten anschließend selbst eine Collage anfertigen, um das zuvor Gehörte sichtbar zu machen. Die Collage wurde weiterhin genutzt, um eine Monotypie zu machen. Dabei wird auf eine Glasplatte schwarze Druckfarbe aufgetragen, darauf ein Blatt Papier gelegt und anschließend die Collage. Indem mit einem Stift die Collage nachgezeichnet wird und nach Belieben Dinge ergänzt werden können, entstehen sehr schöne Drucke. So auch von den Teilnehmenden – hier eine Auswahl:

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Am Ende präsentierte jeder Teilnehmer sein Bild zusammen mit dem Audiostück, das ihm als Ausgangspunkt diente. Es entstanden erstaunliche Zusammenhänge, poetische Ebenen und nachdenklich machende Stimmungen.

Der vierte Besuch – Juni

Ein Wunsch war es, einmal etwas über die Arbeit eines*r Künstler*in zu erfahren, Fragen stellen und etwas besser nachvollziehen zu können, wie ein Kunstwerk entsteht. In den beiden Kursen im Juni berichtete Luise Schröder darüber, wie sich ihre künstlerischen Arbeiten entwickeln und stellte eines ihrer Werke vor. In Hoffnung, Freiheit, Freundschaft, Jugend (2004/2005) portraitierte sie junge Erwachsene in Bulgarien und befragte sie nach ihrer Lebenssituation, Zukunftsgedanken und Einschätzung ihrer eigenen sozialen und politischen Gegenwart und der ihrer Generation in Bulgarien. Dies war Anlass zu einer Gruppendiskussion. Ausgangspunkt war eine der Fragen aus der Arbeit: Fühlst du dich als Teil einer Generation?.

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Unter dem Eindruck dieser Frage gestalteten die Teilnehmenden im Anschluss ein Selbstportrait, wobei sie sich eine der im Projekt kennen gelernten Techniken zur Hilfe nahmen. Eine Übersicht der bisher entstandenen Werke half den Teilnehmenden sich zu erinnern und machte eindrücklich klar, wieviel im Projekt eigentlich passiert ist und was alles probiert und erlebt wurde.

Für das Selbstportrait an diesem Tag wurden noch einmal Collagen, Interviews, Fotografien und Monotypien gemacht.

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In der abschließenden Auswertung des Tages sowie des gesamten Projekts äußerten sich die Teilnehmenden durchgängig zufrieden und positiv mit dem, was sie erlebt, neu kennen gelernt und ausprobiert haben. Ungefähr die Hälfte aller Teilnehmenden kann sich vorstellen, in einem anschließenden Begegnungsprojekt ab Herbst diesen Jahres wieder dabei zu sein, worüber wir uns sehr freuen!

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Wir danken allen Teilnehmern für die schöne und produktive Zeit, für das Vertrauen und das Teilen der Gedanken. Danke auch an die beiden Lehrenden Valentina Pohl und Christian Kühn für die zuverlässige und kooperative Zusammenarbeit!

Das Projekt fand im Zeitraum März bis Juni 2017 in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig statt und wurde geleitet von Luise Schröder (Künstlerin) und Lena Seik (Kunstvermittlerin).

Gefördert durch den Freistaat Sachsen im Rahmen des Landesprogramms Integrative Maßnahmen.

 


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